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Kein dichotomes Lebenskonstrukt

  • Anja Herzog
  • 4. Sept. 2018
  • 3 Min. Lesezeit

Resultierend aus dem 10. EAPC-Kongress entstand die Charta zur Begleitung schwerstkranker und sterbender Menschen, stratifiziert in fünf Leitsätzen. Eingeleitet wird diese mit den gesellschaftlichen Herausforderungen – der Ethik, dem Recht und der öffentlichen Kommunikation. Daran schließen sich die individuellen Bedürfnisse der Menschen, die im Sterbeprozess leben sowie deren Herausforderungen an das Gesundheitssystem. Der dritte Leitsatz bezieht sich auf die Ausbildung und die Weiterbildung, der in der gesundheitlichen Versorgung arbeitenden Akteure, woran sich ebenfalls die Forschung schließt. Sie thematisiert unter anderem die Beteiligung der Gesellschaft und distanziert sich von den kleinen Inselgruppen in diesem exestentiellen Themengebiet. Sie richten stattdessen den Fokus auf das Gemeinsame, in den etwaigen gesundheitlichen Landschaften, um eine adäquate Begleitung gemäß den Präferenzen, gewährleisten zu können. Der fünfte Leitsatz fokussiert noch einmal die europäischen und internationalen Konventionen. Zusammengefasst und in einem kurzen Statement formuliert, lässt sich folgender Kenntnisstand festhalten:

Bereits im Jahr 2008 richtete das Department of Health in der Strategie des End-of-Life-Care den Blick auf die Bedeutsamkeit. Die Einstellung und das Verhalten der Palliativfachpersonen sollte sich entsprechend der Rahmenbedingungen weiterentwicklen, um die Betreuungsqualität in der gesundheitlichen Versorgung aufrecht zu erhalten. Das Institut of Health and Clinical Excellence konstatierte hierzu die Betrachtung der Ganzheitlichkeit des Menschen, im Kontext des körperlichen und emotionalen Wohlbefindens, was wiederum eine besonders intensive Beziehung zwischen den Anvertrauten und den Pflegenden voraussetzt und die Fähigkeit das Wissen entsprechend einzuschätzen, was laut British Holistic Medical Association, ein wichtiges Kennzeichen der Palliative Care darstellt. Bei Überschreiten der eigenen Ressourcen, z.B. in den Bereichen der fachlichen, humanen, sozialen, aber auch methodischen oder kommunikativen Kompetenzen besteht jederzeit die Option weiteren Support zu generieren. Der Schlüssel liegt auch hier wiederum im multidisziplinären Team. Er verschafft einen Zugang zu den Menschen, die vielleicht manchmal nicht mehr reden können / wollen. Hierfür können nun vielerlei Gründe angebracht werden, die auf die vier Dimension der S3 Leitlinie der Palliativmedizin für Menschen mit einer nicht heilbaren Krebserkrankung zurück zu führen sind.

Unter dem Sachverhalt, sollte besonders die mentale Ausdruckskraft der Anvertrauten hervorgehoben werden. Sie nehmen für sich, aber auch die Veränderungen, die durch ihre Krankheit entstehen und wie sich die Anderen Ihnen gegenüber verhalten, wahr. Sie verhalten sich scheinbar nicht so, wie die Idealbilder der Gemeinschaft es vorgeben. Mit den körperlichen Beeinträchtigungen erfahren sie oft auch die Grenzen der sozialen Akzeptanz. Es wird erlebt, dass die Mitmenschen sich scheuen, den körperlichen Grenzen als Teil des Lebens zu begegnen. Es führt zu einer Spannung zwischen dem Realbild, was entsteht aus den krankhaften Veränderungen und der Verhaltenserwartung aus dem sozialen Umfeld.

Wurden Menschen befähigt, dass sie aus den Augen des Gegenübers lesen können, erkennen sie erste Informationen. Dies wiederum setzt unter anderem Wissen zum aktiven Zuhören, aber auch Lebenserfahrungen voraus. Je länger die Begegnungen im Abschied nehmen sind, desto größer sind die Gefühle, die Beziehungen, die Erlebnisse, Erfahrungen und Erinnerungen. Mit anderen Worten ist es die Summe aller Eindrücke einer Begegnung, die durch Gestik und Sprache zum Ausdruck gebracht wird. Besonders enge soziale Beziehungen zwischen den am Abschied Beteiligen verstehen nonverbale und verbale emotionale Äußerungen. Sie können zwischen einem Hilfsappell und einem Wunsch nach Ruhe oder stiller Begleitung differenzieren. Die Entdeckung des eigenen emotionalen Ideenreichtums nimmt die Furcht vor den eigenen Gefühlen in Abschiedssituationen und lässt das Selbst wachsen. Voraussetzung hierfür ist wiederum das Faktum der Wurzeln, die einen Standort vermitteln, der zum einen Kontinuität symbolisiert und auf der anderen Seite in der Beweglichkeit einschränkt. Aber dafür sorgt, dass in besonders herausfordernden Situationen, wie dem Abschied, nicht der Boden verloren wird.

Was für mich persönlich eine Ressource darstellt, notierte E. Kübler Ross im Buch des Erfüllten Leben und würdigen Sterben mit folgendem Wortlaut:

„Könnte man die Canyons vor den Stürmen schützen, niemals erblickt man die Schönheit ihrer Schluchten.“ und C. Saunders im Wortlaut: "The true lies more in the relationsships than in words."

Für mich ist das Leben kein dichotomes Konstrukt sondern dynamisch, durchdringend, multidimensional und es steht in Abhängigkeit der inneren und äußeren Umgebung. Eines der wichtigsten exestentiellen Nuancen evoziert das Bedürfnis nach Bindung, genauer definiert durch die Merkmale wie der Liebe, der Sicherheit, der Aufmerksamkeit, der Geborgenheit, der Autonomie, der Selbständigkeit, den realistischen Grenzen, der Freiheit, den Herausforderungen, der Anerkennung sowie der Akzeptanz. Es bringt Herausforderungen mit sich, die einer Ja / nein Entscheidungen bedarfen, damit sie sich aus der Verhandlungsphase herausbewegen. Leider muss auch die Phase der Depression durchlebt werden, um scheinbar die Wahrnehmung des Gegenwärtigen in all seinen Facetten zu schärfen. Je nach theoretischer Grundlage durchleben Sie sie oder entdecken Neues, in den Ausprägungen.

Im interdisziplinären Gespräch des BMFSFJ wurde damals eine Fragestellung aufgegriffen:

"Wer lehrt uns das Sterben?"

Ich würde fragen, wer lehrt uns das Leben oder durch wen lernten wir den Menschen mit Respekt, Wertschätzung, Augenhöhe und dem Gefühl der bedingungslosen Liebe, wie es ein Kind stetig erfahren sollte, zu leben / zu begegnen und anderen Teil werden zu lassen?

Anja Herzog

 
 
 
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