Wie können die Menschen zu guten Schwimmern ausgebildet werden und wie können wir diese unterstützen
- Anja Herzog
- 5. Apr. 2017
- 4 Min. Lesezeit
Vor dem Beginn der ersten Gegenveranstaltung zum Ärztetag veröffentlichte A. Antonovsky den salutogenetischen Ansatz. Diesen definieren Kernelemente wie Kohärenzsinn, Stressoren, Resilienz und das Gesundheits- und Krankheitskontiniuum. Er distanzierte sich von dem biomedizinischen Modell, was den Wortlaut der Abwesenheit von Krankheit aufgreift. Für ihn ist die Monokausalität nicht global, denn dies fokussiert sich auf eine Ursache mit einem bestimmten Verlauf. Weitere Faktoren, unabhängig der körperlichen und psychischen Beeinträchtigungen werden ausgegrenzt.
Der Begriff der Salutogenese leitet sich aus dem griechischem und dem lateinischen ab. Es bedeutet zum einen salus- als heilend, gesund (griechisch) und der lateinische Suffix -genese definiert die Entstehung.
Nach Kneise wird Gesundheit als körperliche-, psychische und soziale Integrität verstanden.
Die Umorientierung des pathologischen Denkens zu einem umfangreicheren Verständnis von Gesundheit wurde bereits 1948 durch die WHO schriftlich fixiert. Das Modell der bio-psycho- und sozialen Integrität wurde in der Ottawa Charta 1986 einbezogen und weiter differenziert.
Woraus resultiert der salutogenetische Ansatz?
Bereits 1979 stellte A. Antonovsky fest, dass 1/3 der Bevölkerung aus den Industrienationen irgendeine Erkrankung diagnostiziert wurde. Er suchte einen empirischen Nachweis der begründet, weshalb manche Menschen resilienter als Andere sind.
Er zeigt auf, dass Stressoren – Risikofaktoren nicht bedingt krankhafte Auswirkung auf den Organismus des Menschen haben müssen. Dies steht in Abhängigkeit der Wahrnehmung, der Bewertung und der Verarbeitung.
Wie ordnet zum einen der Arzt den körperlichen, psychosozialen Zustand ein?
Was besagt die Eigendiagnose des Betroffenen?
Wie wird dieser Risikofaktor durch die Umwelt eingestuft?
Daraus resultieren die krankmachenden Einflüsse. Die beiden gegensätzlichen Pole, der Gesundheit - Krankheit bedingen einander.
Im Gesundheits- Krankheitskontiniuum werden Menschen mehr oder weniger als krank / gesund eingestuft. Es ist ein multidimensionales Kontinuum. Der salutogenetische Ansatz stellt den Einfluss der Position einer Person auf diesem Kontinuum dar.
Faktoren die hierbei berücksichtigt werden, richten zum einen den Blick auf die Lern- und Lebensgeschichte eines Menschen, den Bewältigungsressourcen und zum anderen der unmittelbaren Integrität. Was für essentielle Auswirkungen besitzen die gegenwärtigen akuten Faktoren auf die Befindlichkeit. Laut Antonovsky besitzen die chronischen Stressoren und Lebensereignisse weniger Einfluss auf die Befindlichkeit als die Akuten.
Laut Kneise finden Untersuchungen über die pathogenetische Ursachen hinaus statt – Betrachtung abweichender Fälle.
Laut der Flussparabel nach Antonovsky steht der Experte der Krankheitsversorgung an einem Fluss und sieht einen Menschen an sich vorüber treiben. Nach seiner ethischen Expertise springt er diesem treibendem zur Hilfe um ihn zu retten. Hierfür benötigt er alle Ressourcen seiner Profession um diesen an Land zu ziehen. Während er sich noch in Aktion befindet, treibt bereits der Nächste an ihm vorbei. Wiederum springt dieser Helfer ins Wasser um diesen an Land zu helfen, während dessen treibt ein weiterer vorbei. Diese Prozedur hält an und kostet unwahrscheinlich viel Energie / Kraft.
Dem Experten der Gesundheitsversorgung kann dies in der selben Analogie passieren. Differenziert hierbei darzulegen, beginnt dieser Fragen zu stellen. Spätestens ab dem Zeitpunkt, nachdem er den 10. aus den Fluten holte und feststellt, mit dieser Ausrichtung und Herangehensweise sind die Ressourcen begrenzt. Hier behandelt dieser symptomatisch und nicht evident. Er beginnt hinter die Biegung des Flusses zu schauen, die er anfangs nicht einsehen konnte. Er interveniert die kleindetaillierte Herangehensweise des Rettens und Widerbelebens. Wie kann dieser Situation entgangen werden oder für alle Beteiligte erträglicher gestaltet werden., denn die Welt ist voll mit schlechtem Schwimmern und Flüssen mit gefährlicher Strömungen.
Wie können die Menschen zu guten Schwimmern ausgebildet werden und wie können wir diese unterstützen?
Das Kohärenzgefühl eines der zentralen Elemente des salutogenetischen Ansatzes, wird grundlegend bis zum Ende der Adoleszenz ausgeprägt und entwickelt sich bis zum frühen erwachsenen Alter weiter. Dies eine Annahme von A. Antonovsky. Herr Hurrelmann griff dies auf und übertrug dies auf die Kindheit und das Jugendalter in seinem Belastungs- Ressourcen Ansatz.
Die Entwicklung von Strategien in diesem Zeitfenster der Entwicklung wirkt sich dauerhaft auf die Bewältigung von Stressoren aus. Ein hoher Kohärenzsinn in sozialen Konflikten wird in der Emotionsregulierung deutlich. Dies beinhaltet, dass Auseinandersetzungen als realistisch betrachtet werden und weniger als Angriff oder Bedrohung interpretiert, im Zusammenhang der verfügbaren Ressourcen .
Konfliktpotentiale werden durch Diskrepanzen deutlich. Diskrepanzen entstehen durch ein Ungleichgewicht der eigenen Ziele, Bedürfnisse und der Motivation in der Analogie der äußeren Anforderungen .
Zurückgehend auf die empirische Erhebung von A. Antonovsky gliedert sich der Kohärenzsinn in drei Komponente – der Verstehbarkeit - der Handhabbarkeit - und der Sinnhaftigkeit.
Die Verstehbarkeit bezieht sich auf interne und externe Reize, die als strukturiert, erklärbar und vorhersehbar wahrgenommen werden. Die internen und externen Informationen werden als kognitiv sinnhaft betrachtet und nicht als chaotisch und diffus. Die Kognition als Basis der Problembewältigung und damit einhergehenden Wahrnehmung - Reflexion- und Urteilsvermögens.
Die Handhabbarkeit beinhaltet das Vertrauen in die notwendigen Ressourcen zur Bewältigung der gestellten Anforderung. In diesem Zusammenhang umfasst die Machbarkeitskomponente Ressourcen, die wir selbst besitzen oder die anderweitig durch eine Bezugsperson, Freunde, Kollegen – sozialen Umfeld mobilisiert werden können. Mit der Handhabbarkeit wird die eigene Wahrnehmung eigener Handlungsoptionen gefördert.
Die Sinnhaftigkeit umfasst die Lebenseinstellung wie der Bewältigende die gestellten Anforderungen interpretiert. Stellen diese für den Menschen ein Problem und eine Belastung dar. Oder eher eine Herausforderung, für die es sinnhaft ist sich zu engagieren und sich für Lösungen einzusetzen. Eine Komponente der Sinnhaftigkeit / Bedeutsamkeit umfasst das Motiv / Motivation . Dies(e) bestimm(t)en inwieweit auf Ressourcen zurück gegriffen wird um eine Lösung herbei zu führen.
Die Komponente der Sinnhaftigkeit ist die wichtigste Dimension, laut Antonovsky. Die Motivation bildet die Basis zur Bewältigung von Herausforderungen und öffnet den Zugang zur Komponente der Verstehbarkeit und ebenso zu den Widerstandsressourcen – Resilienzen .
Diverse empirische Untersuchungen unterstützen den Zusammenhang zwischen einem starken Kohärenzgefühl und psychosozialer Gesundheit. Das Kohärenzgefühl trägt zu einem sozial angemessenen Verhalten bei und hilft andauernden Stress zu vermeiden.
"[...] sondern hoffentlich mit einem Menschen, der seine Erfahrung nicht aus Lehrbüchern, sondern aus der Schule des Lebens hat und dessen Mitgefühl das Vergießen von Tränen und das Ausdrücken von Leid und Schmerz erleichtert, damit der Betreffende wieder beginnen kann zu Leben.” (Kübler-Ross 1998)
05.04.2017; Anja Herzog
