Arbeit & Struktur
- Anja Herzog
- 18. Sept. 2018
- 2 Min. Lesezeit

Ich fand in dem Buch von Wolfgang Herrndorf folgende Struktur, die sich von anderen belletristischen Werken abhebt. In der Komplexität des gesundheitlichen Verlaufes, was er durchlebte, kristallisierten sich auffallend folgende Phasen heraus:
Wir treffen uns wieder in meinem Paradies
Und Engel gibt es doch
In unserem Herzen lebst du weiter
Einen Sommer noch
Noch eine Runde auf dem Karussell
Ich komm´als Blümchen wieder
Ich will nicht, dass ihr weint
Im Himmel kann ich Schlitten fahren
Arbeit und Struktur
So schön wie hier kann es im Himmel gar nicht sein
Ich will mein Leben tanzen
Ihr Lächeln, dass ich nie vergessen werde
Ein Lachen, was nie verging
Die goldene Schaukel im Regenbogen
Wenn sie lachte, hatte ich Hoffnung
Einladung in den Himmel
Flieg mit den Vögeln
Mutti, ich hab´ noch nicht Tschüs gesagt
Arbeit und Struktur
Bleib, mein goldener Vogel
Und tanze durch die Tränen
Und flüstere mir vom Leben
Im Himmel warten Bäume auf dich
Man sagt sich mehr als einmal Lebewohl
Rückruf ins Leben
Malt Mami jetzt den Himmel bunt?
Wie ich den Krebs besiegt und die Tour de France
Gewann
Mut und Gnade
Wunder sind möglich
Arbeit und Struktur
Niemand kommt an mich heran
Bis an die Stunde meines Todes.
Und auch dann wird niemand kommen.
Nichts wird kommen, und es ist in meiner Hand.
Guten Morgen Sterne,
Guten Morgen, schwarzer Kanal
Guten Morgen, Schornsteine, Brücken, Hochhäuser und Kräne
Guten Morgen, Viertelmond
Guten Morgen, goldschimmernde Viktoria
Guten Morgen, S Bahn
Guten Morgen, andere Bahn
Guten Morgen, weißer Kanal
Guten Morgen, Morgenröte
Guten Morgen, Berlin
Mich erinnern Sie an die schockhafte Situation der Diagnosestellung, dem Zorn über die Erkrankung, dem Verhandeln um sein Leben, der Depression, was hier die kürzeste Sequenz einnimmt, aber im zeitlichen Erleben, den größten Raum und schlussendlich nimmt er seine Situation an.
Es ist mein Versuch einer Interpretation. Sicherlich exestieren, basierend auf anderen theoretischen Grundlagen, weitere Ansätze sich dem Phänomen zu nähern. Ich bin sehr dankbar darüber und bewundere es sehr, dass er diese Option als Verarbeitungsprozess wählte. Er schuf somit auch für seine Nachwelt eine Möglichkeit des Umganges mit der Erkrankung, mit den eigenen Ressourcen und Bewältigungsstrategien. Zum einen ließ er sein soziales Umfeld direkt in Beziehung teilhaben und zum anderen formulierte er seine Ängste, seine Freude, die überraschenden Momente, die Wut und den Zorn. Persönlich empfinde ich es als einen gewaltsamen Weg zu sterben. Andere verbinden es vielleicht mit Autonomie.
Gibt es doch weitere Möglichkeiten sich anzuvertrauen und selbstbestimmt zu entscheiden wie man leben / sterben möchte.
Anja Herzog
Arbeit und Struktur