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Antithese Abschied und Liebe?

  • Anja Herzog
  • 27. Jan. 2018
  • 4 Min. Lesezeit

Obwohl die Liebe von einem Organsystem primär wahrgenommen, angefärbt und verarbeitet wird, wie der neuronalen Netzwerk- der Gefühlsmatrix , steht doch stetig Synonym das Herz für die Verortung der Emotionen.

Das Herz assoziiert mit Suggestionen - als das Organ, welches mit primären und sekundären Emotionen, die mit den Phasen des Abschiednehmens, des Aufbruches, des Begehrens und der Liebe, einhergehen soll.

Hermann Karl Hesse formulierte die Blüten der Lebensstufen.

Jeder Abschied verhält sich proportional zu einem Neubeginn.

In jedem Anfang wohnt ein neuer Zauber, der die Menschen beschützt in den verschiedenen Räumen und Ebenen des Lebenskreises.

Im Abschied steckt etwas Gesundes.

Wie jede Blüte welkt und jede Jugend dem Alter weicht

Blüht jede Lebensstufe, blüht jede Weisheit auch

Und jede Tugend zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.

Es muss das Herz bei jedem Lebensrufe bereit zum Abschied sein

Und Neubeginne

Um sich in Tapferkeit und ohne Trauern in andere,

in Neue Bindungen zu geben.

Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt,

und der uns hilft zu leben.

Wir sollen heiter Raum um Raum durchschreiten.

An keinem wie an einer Heimat hängen,

Der Weltgeist will nicht fesseln uns und engen,

Er will uns Stuf´um Stufe heben, weiten.

Kaum sind wir heimisch einen Lebenskreis

Und traulich eingewohnt, so droht erschlaffen,

nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise,

mag lähmender Gewöhnung sich entraffen.

Es wird vielleicht auch noch die Todesstunde

Uns neuen Räumen jung entgegensenden,

des Lebens Ruf an uns wird niemals enden….

Wohl an denn, Herz, nimm Abschied und Gesunde!

(Hesse 1877-1962)

Nach so einem Abschied geht für viele das Nachdenken und die Wahrnehmung intensiver Gefühle über Jahre weiter und steht nicht im Zusammenhang von Tapferkeit. Es ist auch nicht vorstellbar, vereinbar das Abschiednehmen ohne das Gefühl von Traurigkeit, außer es ist pathologisch und neutral gefärbt – keine Empfindungen. Der Trauerprozess beinhaltet heftige Gefühle, die im Vorfeld nie so präsent waren. Sie gehen mit Schmerzen, Traurigkeit und teilweise mit Einsamkeit und Isolation einher. Auf der anderen Seite zeigen sich neue Freiräume und neue Lebensmöglichkeiten.

Aus den Gefühlen entstehen im Laufe der Zeit Lebensweisheit, Geduld und die Fähigkeit des Umganges mit Erinnerungen. Das Leben mit der Trauer ist eine anstrengende, aber heilsame Erfahrung. Hierfür gibt es kein Richtig oder Falsch. Eine der zielführenden Aufgaben des Trauerprozesses besteht im Zuspruch eines „Neuen Platzes“ des Verlustes, zum Besipiel eines verstorbenen Menschen. Er begleitet den Trauerenden auf seinem Lebensweg in seinen Erinnerungen.

Gleichzeitig entsteht in diesem Zusammenhang etwas Neues, nach den Bedürfnissen des Trauernden, die der persönlichen Gefühlswelt entsprechen. Gefühle implizieren, das subjektive Erleben von Emotionen, die aus neuroendokrinen-, vegetativen- und somatomotorischen Reaktionen bestehen. Sie werden durch bewusste oder unbewusste Wahrnehmung oder Interpretationen eines Objektes bzw. einer Situation wie die oben benannte ausgelöst und führen zu spontanen Verhaltensweisen, die positiv oder negativ konnotiert sind.

Die Trauer als eine der Primäremotionen, neben dem Ärger, Furcht, Ekel, Freude und Überraschung. Laut Ekmann werden sie transkulturell erkannt.

Keine weitere Emotion liegt der Trauer so nah, wie die Liebe. Was zu Beginn paradox erscheinen mag. Nur versetzt uns nicht das, was wir Lieben - die Tiefe / die Intensivität / Bindung in einen Zustand der Trauer, wenn ein Mangel wahrgenommen wird.

Ein kulturübergreifendes universelles Phänomen, was durch ein nicht zu verdrängendes Verlangen nach einer dauerhaften Nähe zu einer bestimmten Person definiert wird – die Liebe. Sie aktiviert Anteile des mesolimbischen Dopaminsystems, besonders der VTA und deaktiviert den Frontalkortext bei der Betrachtung der geliebten Person. Es führt zu einer Beeinträchtigung des Denkvermögens. Wie formulierte Goethe in Wilhelm Meisters Lehrjahre:

„Nur wer die Sehnsucht kennt, weiß was ich leide.“ (Goethe 1749-1832)

Die Verliebtheit steht universell für die Menschheit, als ein Teil der menschlichen Natur. Ohne die Verbindung mit einer geliebten Person fühlen sich Menschen unvollständig, als ob ein wesentlicher Teil von Ihnen fehlt. Das Netz der Liebe umfasst die Lust, die Bindung und die romantische Liebe. Sie werden durch einige Akkorde der Natur konstruiert. Die romantische Liebe ist tief verwoben mit der Lust - dem Verlangen nach sexueller Belohnung; sowie der Bindung - dem Gefühl der Ruhe, Sicherheit und die Verbindung mit einem langfristigen Partner.

Die Lust wird bei männlichen und weiblichen Geschlecht assoziiert mit dem Primärhormon, dem Testosteron. Die romantische Liebe führt zu Reaktionen, die durch die Neurotransmitter Dopamin sowie dem Serotonin ausgelöst werden. Das Dopamin wird auch als Liquor der Romantik bezeichnet, was reaktiv Verlangen auslöst, aber auch zur Reduktion von Stress, Aggression und Angst beiträgt. Das Neuropeptid Oxytocin bindet nicht nur das Kind an seine Mam, sondern die Nähe des geliebten Partners führt weitere endokrinen Reaktionen herbei.

Die Beziehung zueinander erfüllt das lebensnotwendige Bedürfnis nach Nähe, Geborgenheit, Akzeptanz, Einverständnis und Bindung. Es triggert das sexuelle Verlangen. Die romantische Liebe ist eine besondere Beziehung von Gefühlen der Bindung. Die menschliche Natur besitzt ein angeborenes Bindungssystem, was auf spezifische Verhaltensweisen und physiologischen Reaktionen zurück zu führen ist. Diese drei Basen besuchen die Menschen auf unterschiedliche Art und Weise heim, in unterschiedlichen Konstellationen.

Kannst du dir die drei als unterschiedliche Abstufungen von Gefühlen in ihrer Spezifizität vorstellen, die endlos kombiniert und rekombiniert werden können, wird Liebe greifbar, in ihrer Gänzlichkeit zusammengehörig. Mit dem / der Anderen in Interaktion zu treten, lässt eine besonders intensive, sinnliche Beziehung erleben, in einzigartiger Art und Weise. Die emotionalen und affektiven Zustände führen zu einer physiologischen Dauerstimmung – des Glück´s oder der Zufriedenheit, was nicht nur unser Immunsystem stärkt. In der Wahrnehmung sind die Menschen auf die Erfüllung von Vertrautheit und Sicherheit aus, was durch die Kommunikation vermittelt und über die exterozeptiven Sinne wahrgenommen wird. Es beantwortet allerdings nicht die Fragestellung:

Woher wissen wir, dass es die richtige Zeit, der / die „Richtige“ ist?

Um den einleitenden Satz von H.K. Hesse aufzugreifen und den Kreis zu schließen, zu mindestens für diesen Augenblick:

„Es ist besser hoffnungsfroh zu reisen, als anzukommen; etwas sinngemäßer: Am Aufbruch, nicht am Ziele liegt das Glück.“ (Watzlawik 2007)

Anja Herzog

 
 
 
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